Warum sind Blondinenwitze immer so kurz?
Damit die Männer sie auch verstehen.
Es hat mir nie besonders gefallen, was die Feministinnen tun. Ich fand Feminismus zu aggressiv, zu übertrieben, zu generalisierend, im Grunde auch irgendwie ungerecht. Ich dachte mir immer, dass es sehr unvernünftig ist, einen Kampf zwischen den Geschlechtern zu führen. Ich dachte immer, dass beide Geschlechter einander mit respekt begegnen sollen, dass man die Unterschiede zwischen Mann und Frau nich verschwinden lassen soll, sondern sie als Quelle der Faszination für das jeweils andere Geschlecht pflegen soll.
Langsam reicht es mir aber.
Heute habe ich zum n-ten mal in meinem Leben einen Frauenwitz gehört. Es war nicht mal ein Witz. Mir war es jedenfalls nicht nach dem Lachen. Immer wenn ich in solchen Situationen protestiere, wird mir vorgeworfen, dass ich keinen Sinn für Humor habe und überempfindlich bin.
Ich glaube nicht, dass ich überempfindlich bin. Leute, die mich kennen, wissen, dass ich vor (berechtigter) Kritik nicht ausweiche und über mich selbst lachen kann. Ich habe mich durch diesen Witz auch nicht persönlich angesprochen gefühlt. Ich habe mich deswegen so geärgert, weil ich auch eine Frau bin.
Ein Witz ist lustig, wenn man ihn zwei oder drei mal hört. Nicht aber, wenn man ihn jeden zweiten Tag hört, sein ganzes Leben lang.
Witze sind ja nicht böse gemeint, die sind ja harmlos und stellen den Inhalt des Witzes in ein komisches Licht, also verneinen ihn - könnte man ja sagen.
Ist es tatsächlich so? Wie funktionieren denn Witze? Ein Witz ist ein sprachliches Konstrukt, welches versucht, einen Sachverhalt so zu verschlüsseln, dass dieser auf den ersten Blick nicht offensichlich ist. Die Verschlüsselung kann mit sprachlichen Mitteln (Wortspiele, Metapher), durch Exemplifikation, etc. erfolgen. Die Entschlüsselung der echten Bedeutung, die Entdeckung 'des zweiten Bodens' ist das, was wir witzig finden. Je besser die Verschlüsselung, je weniger offensichtlich der echte Sinn ist, desto besser der Witz.
Um einen Witz zu verstehen, um ihn also entschlüsseln zu können, braucht der Hörer einen Schlüssel, den er mit dem Erzähler teilt. Bei den Wortspielen muss man zum Beispiel die andere, vielleicht nicht so häufige Bedeutung eines Wortes kennen. Im Fall der Exemplifikation muss man über das grundlegende Weltwissen verfügen, welches durch das konkrete, im Witz angegebe Beispiel exemplifiziert und individualisiert wurde.
Frauenwitze sind meistens Exemplifikationen, das heißt sie beschreiben eine (konkrete oder abstrakte) Situation, in der sich eine Person, oder eine kleine Gruppe von Personen befindet. Die These, die für diese Person oder Gruppe gilt, wird dann auf alle Vertreter der großen Gruppe übertragen, der diese im Witz auftretende Person angehört. Hier eine kleine Übung:
Wieso können Blondinen kein BSE bekommen?
Weil es eine Gehirnkrankheit ist.
Was muss man tun, um den obigen Witz zu 'verstehen' und ihn lustig zu finden? Mann muss das Weltwissen mitbringen, dass BSE eine Rindkranheit ist, Blondine eine dumme Frau ist und Lebewesen ohne Gehirn dümmer sind als die mit Gehirn. Danach muss man nur Operationen der Logik ausführen: Nur Lebewesen, die Gehirne besitzen, können eine Gehirnkrankheit haben. Kühe können BSE kriegen, weil sie Gehirne haben, Blondinen können kein BSE kriegen, weil sie keine Gehirne haben. Lebewesen ohne Gehirne sind dümmer als Lebewesen mit Gehirn, also sind Blondinen dümmer als Kühe. Kühe sind schon von Natur aus ziemlich dumm ('dumme Kuh' als ein beleidigendes Epitet), ergo sind die Blondinen so ziemlich unendlich dumm. Bingo! - wir haben den Witz entschlüsselt und finden ihn lustig, weil er auf eine neue, überraschende, spielerische Art und Weise den Inhalt ausdrückt, den wir für banal und offensichtlich halten.
Wieso können Nobelpreisträger kein BSE bekommen?
Weil es eine Gehirnkrankheit ist.
Finden wir diesen Witz genauso lustig wie den vorherigen? Nein, er ist nicht so lustig, weil es kein Topos eines dummen (gehirnlosen) Nobelpreisträger gibt. Wir entschlüsseln zwar den Inhalt aber wir finden keinen Bezug auf unser Weltwissen, wir können uns nicht freuen, dass wir eine nichtbanale Ausdrucksweise eines banalen, populären Gedankens gefunden haben.
Wieso können Tische kein BSE bekommen?
Weil es eine Gehirnkrankheit ist.
Warum ist dieser Witz überhaupt nicht lustig? Hier gibt es keinen doppelten Boden. Tische haben halt keine Gehirne - es ist eine ganz normale Aussage, die der objektiven Wahrheit entspricht. In diesem 'Witz' fehlen Verschlüsselung und Bezug auf unsere Lebenserfahrung, deswegen ist er nicht witzig.
Fazit: Witze sind nicht so harmlos, wie sie auf den ersten Blick scheinen. Anstatt Klischees abzubauen, bestättigen und verstärken sie das Weltbild, das einer schon in sich aufgebaut hat.
Liebe Männer, wundert euch bitte nicht, dass Frauen so wenig Selbstbewußtsein haben, dass sie an ihre Talente nicht glauben und so wenig Durchsetzungsvermögen aufbringen. Frauen müssen sich nämlich ihr ganzes Leben lang Frauenwitze anhören. Ein Phänomen des Unterbewußtseins besteht darin, dass es keine Negation kennt. Sätze 'ich bin dumm' und 'ich bin nicht dumm' werden unbewußt gleich perzepiert, denn das 'nicht' kommt bei dem Unterbewußtsein gar nicht an. Aus diesem Grund prägt sich das klischeehafte Bild, dass dem Witz zugrunde steht, ein, obwohl der Witz wahrscheinlich gar nicht ernst und in den meinsten Fällen gar nicht böse gemeint war.
Mit jedem solchen Frauenwitz bekommen Frauen die Bestättigung, dass sie dumm, nicht kompetent, schwach und eigentlich nur als Sexobjekt interessant sind. Liebe Männer - ist es wirklich das, was ihr uns Frauen sagen wollt? Wenn nicht, dann beißt euch bitte gefälligst auf die Zunge, bevor ihr den nächsten blöden Witz erzählt. Sagt uns ruhig mal auch was Positives. Oder erzählt einen Männerwitz. Dann haben wir Frauen auch was zum Lachen.
Übrigens, habt ihr euch schon mal gefragt, warum Frauen so wenig Männerwitze erzählen? Na weil Frauen eben tierlieb sind.