Idiota de Sapientia

Tu te scientem putas, cum non sis, hinc superbis. Ego vero idiotam me esse cognosco, hinc humilior. In hoc forte doctior existo.

Mittwoch, August 30, 2006

Standards in der Uni-Lehre

Der Geist der 68-er Bewegung hat den deutschen Unis sehr viel Schaden angerichtet. Vielleicht ist das nicht an allen Instituten in gleichem Grad sichtbar. Am CIS manifestiert es sich auf eine sehr schmerzhafte Art und Weise.

Ich bin für weniger Freiheit für die Studenten. Ich bin für mehr Standards.

Als potenzieller Arbeitgeber will ich mich auf diese Standards verlassen können.

Wenn ein Chefarzt einen jungen Uni-Absolventen einstellt, kann er zwar nicht voraussehen, ob sein neuer Mitarbeiter irgendwann der beste Chirurg des Landes wird, er kann aber ruhig annehmen, dass sein neuer Mitarbeiter den Unterschied zwischen Aspirin und Vitamin C weiss und die Lokalisation von Herz und Magen nicht verwechselt.

Selbstverständlich und banal? Nicht in der Computerlinguistik. Ich würde so gerne annehmen, dass ein Student, der Zwischenprüfung erfolgreich bestanden hat, über absolut notwendige Grundlagen des Faches verfügt: dass er im Stande ist, einen Text in das gerade verlangte Encoding zu bringen, mit Hilfe eines Programms einlesen, interessante Stellen mit regulären Ausdrücken finden und diese ausgeben lassen. Dass er von einer Menge Wörter eine andere Menge substrahieren kann. Dass er die Wörter zählen und sortieren kann. Dass er weiss, wie er an große Mengen von Wörtern kommt, dass er sich ein für die Aufgabe passendes Korpus ertstellen kann, etc...

Immer wieder mache ich kurze Projekte mit Studenten des CIS. Immer wieder fange ich diese Zusammenarbeit mit Enthusiasmus und großen Plänen. Und immer wieder erlebe ich böse Überraschung und Frustration, weil es sich herausstellt, dass diese Grundlagen fehlen, und weil ich merke, dass sich die Leute überfordert fühlen, sobald die Aufgabe mehr als manuelles Bearbeiten einer Wortliste verlangt.

Freiheit hat einen riesengroßen Wert, aber Freiheit ist kein Wert an sich. Freiheit ist eine geniale Erfindung nur wenn die Leute reif genug sind, um sie richtig einzusetzen. Wenn man mit Freiheit Leute beschenkt, die sie nicht konstruktiv benutzen können, wird sie für diese Leute zum Verhängnis.

Aus diesem Grund bin ich für genau definierte Standards und Verschulung in den ersten Semestern des Studiums. Ich bin dafür, dass man den Leuten hohe Anforderungen stellt, sehr viel von ihnen verlangt und keine falsche Mitleid mit den Studenten hat: wer für das Studium ungeeignet ist, muss gehen. Ich denke, dass diese Phase bis zur Zwischenprüfung dauern soll, danach sollen die Studenten, die geblieben sind, langsam in die Freiheit der Forschung eingeführt werden. Ich bin sicher, dass auf diesem Wege sehr viel Frustration, Zeit- und Geldverschwendung und manchmal auch gebrochene Existenzen vermieden werden könnten.

Ich habe eine Bekannte. Vor einem Jahr hat sie Magisterabschluss in Computerlinguistik gemacht. Seitdem sucht sie vergeblich Arbeit. Neulich hat sie sich überlegt, ob sie nicht doch vielleicht ein bisschen reguläre Ausdrücke lernen soll.